MIKROFONIE II

2. Stereoverfahren und Stereomikrofone

3. Raumakustische Grundlagen

4. Mikrofonpraxis

5. Allgemeine Anmerkungen

6. Begriffe

1. Psychoakustische Grundlagen

1.1. Räumliches Hören

Richtungshören

In der Horizontalebene kann der Mensch am besten Schallquellen orten. Die kleinste wahrnehmbare Richtungsänderung beträgt 3°. Das ist eine Verzögerung des Signals um 0,03 ms und ein Lautstärkenunterschied von 2-3 dB. Daraus folgt: Durch Pegel- und Laufzeitunterschied kann der Mensch eine Schallquelle orten.

Bei einer Frequenz von f > 500-1000 Hz finden Pegelunterschiede statt. Bei einer Frequenz von

f < 500-1000 Hz finden Laufzeitunterschiede statt. Der interaurale Laufzeitunterschied ist

t = 0,63 ms

In der Vertikalebene ist das Ortungsvermögen erfahrungsabhängig. Ein Vogel wird z.B. vom Gehirn als von oben kommend geortet.

Entfernungshören

Das Entfernungshören, also die Möglichkeit die Entfernung mit Hilfe des Audiosignals festzustellen, ist stark vom Raum abhängig. Weiterhin spielt die Art des Signals eine große Rolle. In einem kleinen Raum von 0-15 m Länge kann man die Entfernung gut abschätzen. Dagegen ist dies in Räumen > 15 m fast unmöglich.

1.2. Grundlagen der Stereophonie

Phantomschallquellen

1885 entstand die erste 2-kanalige Aufnahme. Ab 1930 wurde die Stereophonie patentiert. Die Phantomschallquelle ist eine akustische Täuschung. Der Hörer nimmt das Signal aus der Mitte wahr, nicht aus dem beiden seitlichen Lautsprechern. Dabei gibt es folgende Besonderheit:

Wird das rechte Signal 2 ms früher als das linke gesendet, nimmt der Hörer die Schallquelle ganz rechts wahr.

Bei einem Laufzeitunterschied von 3 ms - 30 ms und gleich lautem Signal wird das Signal als ein einziges wahrgenommen.

Bei einem Laufzeitunterschied > 30 ms werden Echos wahrgenommen. Dies ist die Echoschwelle.

Raum- und kopfbezogene Stereophonie

Möglichkeiten der stereophonen Aufzeichnung

Hierbei unterscheidet man 3 Arten:

  1. Intensitäts- oder Pegelstereophonie: Vorteil ist eine gute Richtungsabbildung. Das Verfahren ist monokompatibel.
  2. Laufzeit- oder Phasenstereophonie: Vorteil ist eine gute Entfernungsortung. Das Verfahren ist allerdings nicht monokompatibel.
  3. Äquivalenz- oder gemischte Stereophonie: Dieses Verfahren vereint Pegel- und Phasenstereophonie.

2. Stereoverfahren und Stereomikrofone

2.1. Intensitätsstereophonie und Koinzidenzmikrofone

Das XY-Verfahren

Die Mikrofone müssen gerichtet sein und sollten vom selben Typ sein. Als Richtcharakteristik ist möglich: Niere, Acht, Hyperniere, Superniere.

Je größer der Aufnahmewinkel der beiden Mikrofone desto kleiner der Aufnahmebereich.

Der Überbasis-Effekt wir bei Stereo-Fernsehgeräten angewandt. Dabei wird die Stereobandbreite verbreitert.

Das MS-Verfahren

M bedeutet Mitte, S bedeutet Seite. S muß eine Acht sein. Die positive Empfindlichkeit muß nach links zeigen.

Das MS-Verfahren ist gleichwertig dem XY-Verfahren bezüglich des Aufnahmebereiches.

Es gilt:

X = M + S, Y = M - S

Man kann den Aufnahmebereich bei dem MS-Verfahren bequem am Pult verändern, indem man den Pegel von M oder S verändert. Wenn man die Acht lauter macht, verkleinert sich der Aufnahmebereich.

Für das MS-Verfahren ist eine Matrix nötig, um die Bedingung X = M + S zu erfüllen.

Alternativ kann man auch einen Richtungsmischer verwenden.

Falls beides nicht zur Hand ist, kann man auch ein Mischpult benutzen. Dafür wird das S-Signal auf 2 Kanalzüge gelegt. Beide Kanäle pant man auseinander und kehrt bei einem Kanal die Phase um. Um die Phase umzukehren, müssen Pin 2 + 3 bei dem Splitkabel vertauscht werden.

Bei MS ist das Pegelverhältnis MS wichtig.

Exkurs Drumrecording

Wenn man Drums abnimmt, muß man folgendes beachten:

- Ist die Bassdrum offen oder geschlossen ?

- Wird die Hihat oft gespielt ? Wenn nicht, kann man sich das Mikrofon sparen.

- Für welche Stilrichtung spielt der Drummer ?

- Ist das Schlagzeug schon aufgebaut ? Der Aufbau des Sets dauert ca. 45 Minuten

- Man sollte die Zeit für den Soundcheck einplanen (mind. 90 Minuten)

Spurbelegung: Bassdrum, Snare, Hihat, Toms, Overheads (stereo)

Die Snare ist am wichtigsten. Daher kann man verschiedene Mikrofone ausprobieren. Wichtig ist auch der Winkel des Mikrofons sowie der Abstand zur Mitte. Wenn man sehr dicht am Fell abnimmt, sind die Frequenzen eingeschränkt. Falls es nicht gut klingt, sollte man daher die Mikrofone weiter von der Mitte weg positionieren. Wenn man die Snare mit 2 Mikrofonen abnimmt, muß man bei dem einen die Phase drehen.

2.2. Laufzeitstereophonie und AB-Mikrofone

Druckempfänger AB

Man benutzt eine Kugelcharakteristik. Es wird unterschieden zwischen Klein-AB und Groß-AB.

Bei Klein-AB haben die beiden Mikrofone einen Abstand von ca. 17 cm, bei Groß-AB von 1-1,5 m.

Der Nachteil bei Groß-AB ist ein Verlust der Mitten. Abhilfe schafft hier ein Stützmikrofon in der Mitte.

Eine Sonderform ist der Deca-Tree. Dieses Verfahren arbeitet mit Klein-AB und einem 3. Mikrofon in der Mitte, daß mit AB ein gleichschenkliges Dreieck ergibt.

2.3. Äquivalenzstereophonie und -Mikrofone

Man benutzt Druckgradientenempfänger. Durch den Versatz und den Winkel der beiden Mikrofone erhält man einen Laufzeit- und Pegelunterschied.

Es gibt 2 Verfahren:

ORTF wird am meisten benutzt. Dazu nimmt man 2 Nieren und stellt sie 17,5 cm entfernt auf.

Bei NOS-Verfahren haben die Mikrofone einen Winkel von 45°, der Abstand beträgt 30 cm.

OSS- oder Jacklinverfahren.

Dabei trennt man beide Mikrofone mit einer absorbierenden Scheibe. Dadurch wird der Klang gefärbt.

3. Raumakustische Grundlagen

3.1. Schall in Räumen

Die Moleküle brauchen ein Medium. Die Schallwellen breiten sich kugelförmig um den Sender herum aus. Je weiter entfernt die Wellen sind, desto gradliniger werden die Wellen.

3 Angaben definieren eine Schallwelle:

c = f *

c ist die Schallgeschwindigkeit, f die Frequenz, und die Wellenlänge

Bei 100 Hz ist die Wellenlänge 3,4 m, bei 1 kHz 0,34 m, bei 10 kHz 3,4 cm.

Paßt die Welle genau in einen Raum hinein, so entstehen stehenden Wellen.

Die Laufzeit t berechnet man:

l ist die Weglänge, c die Schallgeschwindigkeit.

Der Wert des Schalldrucks verhält sich im Nah- und Fernfeld einer Schallquelle gleich. Der Nahbesprechungseffekt findet auch in der Natur statt.

Je tiefer die Frequenz ist, desto höher ist die Schallschnelle

Reflexionen und Nachhall

Werden Schallwellen reflektiert, spricht man von dem Diffusschallfeld oder dem Nachhall. Der Klang des Nachhalls ist vom Raum abhängig. Es gilt: Einfallswinkel = Ausfallswinkel.

Die Nachhallzeit ist die Zeit, in der sich die Lautstärke des Originalsignals auf 1/1000 reduziert. Dies entspricht einer Absenkung von 60 dB.

Die Nachhallzeit ist abhängig vom Raumvolumen und von dem Absorbtionsgrad. Es gilt:

V = Raumvolumen, A = Absorbtionsgrad

Direktschall und Diffusschall

Die Stelle, an der der Diffus- und der Direktschall gleichlaut sind, ist der Hallradius. An dem Hallradius entsteht eine Lautstärkeanhebung von 3 dB, da sich Diffuss- und Direktschall überlagern.

Der Schallpegel verringert sich im Nahfeld pro Entfernungsverdopplung um 6 dB. Im Diffusschallfeld ist der Schall überall gleich laut.

Je größer der Raum ist, desto kleiner ist der Hallradius.

Für den Hallradius gilt:

V = Raumvolumen, T = Nachhallzeit, rh = Hallradius in Meter

Der Hallradius ist abhängig von dem Signal und der Raumart. Deshalb berücksichtigt die folgende Formel für den Hallradius auch noch den Bündungsgrad


= Bündungsgrad der Schallquelle

Anforderungen an den Aufnahmeraum

Für den Aufnahmeraum ist es besonders wichtig, daß es keine störenden Echos gibt. Dies kann man durch klatschen einfach testen. Eventuell muß man Stellwände benutzen.

4. Mikrofonpraxis

4.1 Mikrofonauswahl

Für einen natürlichen Klang eignen sich Kondensatormikrofone. Möchte man einen warmen Klang, so benutzt man Kondensatormikrofone mit einer großen Membran.

Für einen natürliche Klang ist als Richtcharakteristik die Kugel geeignet. Allerdings sollte der Raum gut klingen, da der Raumklang ja mit aufgezeichnet wird. Eine Niere als Richtcharakteristik bietet sich für einen warmen Klang an. Man kann den Nahbesprechungseffekt voll ausnutzen.

Sprachaufnahmen

Der Sprecher sollte einen Abstand zum Mikrofon von 40-50 cm einhalten. Dadurch hat man keinen Nahbesprechungseffekt, aber die Sprachverständlichkeit ist besser. 2 kHz ist besonders wichtig dafür.

Gesang

Der Sänger muß sich wohl fühlen. Dazu gehört ein Hall. In trockenen Räumen sackt der Sänger in der Intonation, in halligen Räumen steigt er. Der Abstand zum Mikrofon sollte nah sein, um den Nahbesprechungseffekt auszunutzen.

Tip 1: Das Mikrofon etwas höher positionieren. Dadurch singt der Sänger nach oben, er kann freier singen, und Pop-Geräusche werden vermieden.

Tip 2: Je größer das Mikrofon ist, desto wichtiger fühlt sich der Sänger und desto besser singt er.

Als Gesangsmikrofon ist immer noch ungeschlagen das U47 am besten.

Gitarre

Akustische Gitarre:

Der Gitarrist spielt sitzend. Die Höhen werden nach vorne abgestrahlt, die Tiefen nach hinten und aus dem Schalloch. Wichtig ist die Stilrichtung. Sollen z.B. Griffgeräusche mit aufgenommen werden ?

Elektrische Gitarre:

Die E-Gitarre wird von dem Verstärker abgenommen. Je mehr man an die Membranmitte herangeht, desto mehr Höhen werden aufgenommen.

Streicher

Der Aufnahmebreich ist stark abhängig von der Frequenz. Empfohlen wird ein schallharter Raum. Dabei ist der Boden des Raumes sehr wichtig. Bei Kontrabass ist ein Grenzflächenmikrofon sehr empfehlenswert. Zudem kann man ein zweites Mikrofon dicht an dem Steg befestigen.

Blechbläser

Die Höhen strahlen stark gerichtet nach vorne ab. Die Trompete bewirkt hohe Schalldruckpegel. Bei der Posaune muß man auf eine korrekte Intonation achten.

Holzbläser

Die Querflöte strahlt nach mindestens 2 Seiten ab. Es ist sehr schwer, die Querflöte richtig abzunehmen. Zu den anderen Instrumenten siehe folgende Seite.

5. Allgemeine Anmerkungen

Eine Faustregel besagt:

Der Abstand zwischen 2 Mikrofonen sollte 3 mal so groß sein wie der zwischen Mikrofon und Instrument.

Laute Instrumente sollte man mit anderen lauten Instrumenten aufnehmen, leise mit anderen leisen.

6. Begriffe

Monokompatibilität: Vergleich mit echter Monoaufnahme

Kohärente Signale sind Signale, die von derselben Schallquelle kommen, unterscheiden sich nur in Pegel und Laufzeit.

Korrelation: Verwandtschaft zwischen 2 Kanälen. Hat man 2 identische Signale (bezogen auf Phase, nicht auf Pegel), so ist R=1, = MONO.

Bei R=0: Die Signale sind absolut unterschiedlich, oder es fehlt ein Kanal, oder beide.

Bei R=-1: gleiche Signale, Phasendiferenz=90°.